26. April 2024

Karate als Lebensphilosophie

„Oss!“ Der 13-jährige Junge verbeugt sich. Karatelehrer Andreas Kemp begrüßt seinen Schüler mit der gleichen Geste.

„Oss, das heißt Guten Tag, Auf Wiedersehen, Ich habe verstanden. Es ist ein universeller Begriff, den jeder versteht, der Karate betreibt“, erzählt der große, schlanke Mann mit dem Schnauzbart.

1996 eröffnete er „Shimazu Gesundheitssport“ an der Mühlenstraße. „Der Titel ist uns vom Bundestrainer des Shotokan-Karate verliehen worden. Es ist der Name einer alten Samurai-Familie, die für Öffnung gen Westen steht.“ Andreas Kemp ist stolz auf den Namen, zeigt er doch, dass der Bundestrainer mit ihm zufrieden ist.

Kann er auch, denn Andreas Kemp hat sich ganz dem Karate-Do verschrieben. Er war 17, als er 1975 diese Sportart für sich entdeckte. „Als 1979 ein Japaner in Deutschland einen eigenen Verband gründete, merkte ich erst, was Karate noch alles sein kann“, sagt er. Und meint: Ästhetik, Beweglichkeit, Körperbeherrschung, Tradition. Andreas Kemp besitzt den 5. Dan (Schwarzgurt in zehn Grade unterteilt), den nur fünf weitere Männer in Deutschland erreicht haben. Andreas Kemp lernte seine Ehefrau Martina – natürlich – über das Karate kennen. Andreas Kemp, der gebürtige Bremer, zog, und sie mit ihm, für seinen Sport 1985 erst nach Münster, dann nach Westbevern, weil es in Warendorf einen Lehrer gab, der ihm noch etwas beibringen konnte. „Sonst gab es niemanden mehr.“ Es sollte sich lohnen: 1987 und 1988 wurde Andreas Kemp Deutscher Meister, belegte 1985 bei der EM und 1988 bei der WM mit der Mannschaft jeweils einen 3. Platz.

Für Andreas Kemp ist Karate nicht einfach Job oder Hobby, es ist seine Lebensphilosophie. Lange Spaziergänge mit Hund „Iori“ – ein japanischer Name – nutzt er zur Entspannung und zum richtigen Atmen. Ernährung: Klar, asiatisch.

Andreas Kemp ist auch Trainer für Gesundheitssport, was nur für Unwissende ein Gegensatz ist. Karate und Gesundheit? Karate ist doch ein Kampfsport, werden viele sagen. Mit derlei Vorurteilen räumt Andreas Kemp auf: „Entscheidend ist die Körperbeherrschung, die Fähigkeit, einen Zentimeter vor der Haut abstoppen zu können, es geht um Abwehr, nicht um Angriff.“ Nicht umsonst bedeutet Karate schließlich „leere, unbewaffnete Hand“. Na dann: „Oss!“